Einführung in die kooperativen Abenteuerspiele

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Spiele ohne Sieger können ganz unterschiedliche Aspekte bedienen: Es können einfach nur Spaßspiele sein, sie können das Gemeinschaftsgefühl stärken, sie können die Gruppe vor eine Herausforderung stellen und der Reflexion dienen. Aber vor allem spiegeln sie den Ist-Stand der Gruppe wieder. Und gerade das ist das Wertvolle an diesen Spielen. Sie können Denkanstöße sein, zu Diskussionen führen, Probleme lösen, aber auch Konflikten aufdecken.

Durch diese Vielschichtigkeit ist es wichtig, dass sich der Spielleiter sehr gut auf kooperative Abenteuerspiele vorbereitet. Wie er dies machen kann, möchte ich im Folgenden skizzieren.

Vor dem Spiel sollte sich der Spielleiter Gedanken über die Zusammensetzung seiner Gruppe (Alter, Größe, Erfahrung, Bekanntheitsgrad der Gruppenmitglieder, Vertrauen in der Gruppe, …) und über die örtlichen Gegebenheiten (Räume, Platz, Material, …) machen und dann für diese Gruppe ein passendes Spiel aussuchen. Nichts ist schlimmer als ein Spiel, dass die Gruppe von vornherein ablehnt, egal, ob es ihr zu schwer, zu leicht oder zu kindhaft ist.

Grundsätzlich gilt: Je weniger Regeln, desto besser. Je mehr der Spielleiter zu Beginn des Spieles erklären muss, umso unattraktiver wird das Spiel für die Teilnehmer. Deshalb sollte der Umfang der Regeln möglichst gering gehalten werden. Verlangt das Spiel jedoch umfangreiche Regeln, so sollten diese gut herübergebracht werden. Dazu bietet sich entweder das Schlüpfen des Spielleiters in eine Rolle oder auch ein Brief an, der die Teilnehmer direkt in das Geschehen integriert. Die Schwierigkeit der Regeln sollten an die Teilnehmer angepasst werden. Kriterien, die dabei zu beachten sind, sollten vor allem das Alter und die Erfahrenheit der Teilnehmer mit dieser Art von Spielen sein.

Teilnehmer sind am Anfang der Aktion eher gehemmt. Gerade bei zusammengewürfelten Gruppen ist dies zu beachten. Zu viel Körperkontakt oder auch zu viel Interaktion sind in dieser Phase der Gruppenbildung noch unerwünscht. Kennenlernspiele und so genannte „Ice Breaker“ sind gut geeignet, um diese Hemmungen abzubauen. Der Spielleiter sollte deshalb darauf achten, das Ausmaß und die Intensität der Interaktion langsam zu steigern und damit die Spiele an das Gruppenklima anzupassen.

Eine langsame Steigerung ist auch beim Tempo und der Belastung im Spiel sinnvoll. Die Gruppe sollte nicht gleich am Anfang all ihre Energie verschwenden. Besser ist es, die Belastung langsam zu steigern. Der Spielleiter kann dies durch eine langsam beginnende erste Runde beeinflussen und den Schwierigkeitsgrad dann langsam im Spiel anheben. Dadurch steigt die Motivation, auch die nächste Stufe der Aufgabe zu schaffen.

Doch auch eine zu langsame Steigerung kann negative Folgen haben: Die Spieler können sich unterfordert fühlen oder die Aufgabe kann durch das zu häufige wiederholen langweilig werden. Hier ist die Aufmerksamkeit des Spielleiters gefragt.

Spiele sind für die Spieler um so attraktiver, je ansprechender sie sind und je mehr sie die Spieler herausfordern. Dies kann sowohl durch ungewöhnliche Materialien als auch durch außergewöhnliche Aufgaben geschehen.

Darüber hinaus sollten folgende Punkte beachtet werden: Möglichst alle Teilnehmer sollten eine Aufgabe im Spiel haben, um so Langeweile bei einzelnen Spielern zu vermeiden. Die Machtverhältnisse sollten ausgeglichen sein, damit jede Gruppe oder jeder Teilnehmer eine reelle Chance auf den Sieg hat. Der Gewinner sollte nicht von vornherein feststehen. Soweit möglich und sinnvoll bietet sich auch ein Rollentausch unter den Spielern an, um Abwechslung in den Spielverlauf zu bringen. Ein Spiel lebt von Spannung. Diese Spannung sollte sich auch im Körper der Spieler ausbreiten. Eine extra Portion Spannung bringen ungewöhnliche Handlungsabläufe im Spiel. Denn wer hat denn zum Beispiel schon einmal Rugby mit einem Gummihuhn gespielt?

Wer diese Punkte beachtet, bringt das gewisse Etwas ins Spiel, das die Spiele für alle Teilnehmer zu einem Erlebnis werden lässt.

Hat man sich erst einmal für eine Spielidee entschieden, dann sollte man diese nicht als starre Spielanleitung sehen. Jedes Spiel kann an die örtlichen Gegebenheiten oder an das Thema des Seminars beziehungsweise der Gruppenstunde angeglichen werden. Spielideen sind der Rohstoff des Spielleiters, mit dem er sich beschäftigt, den er anpasst und verändert.

Anpassungsmöglichkeiten können das Material, der Schwierigkeitsgrad, der Ort oder auch die Geschichte sein. Grundsätzlich bietet es sich an, Spiele in eine originelle Geschichte einzubetten.

Eine solche Geschichte kann für die Teilnehmer anregend und motivierend sein. Die Geschichte sollte auf jeden Fall mit einigen Requisiten und Kostümen verstärkt werden. Damit fällt es den Teilnehmern leichter, sich auf die Geschichte einzulassen und sich passend zu ihr zu benehmen. Besonders interessant sind natürlich Geschichten und Umgebungen, die sich vom Alltäglichen unterscheiden und die Phantasie anregen.

Ist das Spiel an die Teilnehmer und die örtlichen Gegebenheiten angepasst und das Spiel in eine anregende Spielgeschichte eingebettet, kann es eigentlich schon losgehen. Nun gilt es, die Teilnehmer in das Geschehen zu involvieren. Ihnen wird die Geschichte erzählt, sie werden an den Ort des Geschehens geführt und können loslegen.

Die Aufgabe, die die Teilnehmer bei kooperativen Abenteuerspielen zu erfüllen haben, sollen dabei in zwei Schritten ablaufen. Basis sollte immer eine klar formulierte Aufgabe sein, die zudem noch attraktiv gestaltet ist. Dazu gehören ungewöhnliches Material, eine ungewöhnliche Aufgabe und die schon erwähnte ungewöhnliche Geschichte. Beim Lösen der Aufgabe sollte nie der spielerische Charakter der Aufgabe vergessen

werden. Enttäuschte Teilnehmer, die sich zu stark in das Geschehen hineingesteigert haben und bei denen das Lösen der Aufgabe nicht geklappt hat, sollten durch den Spielleiter besonders aufgefangen werden. Er sollte der Gruppe die nötige Unterstützung bei der Besprechung des Ablaufes geben, Anschuldigungen in konstruktive Kritik umwandeln und die Gruppe motivieren.

Im zweiten Schritt sollte das Spiel sowohl die Gruppe als auch jeden Einzelnen vor eine Herausforderung stellen. Die Aufgabe sollte so gestaltet sein, dass die Gruppe sie nur gemeinsam lösen und dabei jeder Einzelne sich in den Lösungs-prozess einbringen kann. Am Anfang sollte die Gruppe in einem Zustand des Ungleichgewichts versetzt werden. Dass heißt, durch die ungewöhnliche Aufgabe sollten die Teilnehmer in eine ihnen unbekannte Situation versetzt werden, die nicht in ihrem gewöhnlichen Handlungsumfeld liegt. Durch das gemeinsame Grübeln und Überlegen sollte die Gruppe an Hand der bereitgestellten Materialien und Möglichkeiten nun eine Lösung für die Aufgabe finden. Am Ende sollten dann das Lösen und ein damit verbundenes Erfolgserlebnis stehen.

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Während der Spiel- oder Problem-Lösungsphase nimmt der Spielleiter eine passive, für die Teilnehmer aber weiterhin wahrnehmbare Person ein. Er beobachtet das Geschehen ohne eine Bewertung abzugeben, versucht mögliche Themen für die Reflexion herauszufinden und gewährleistet die Sicherheit der Teilnehmer. Sollte dem Spielleiter auffallen, dass sich Teilnehmer in eine gefährliche Situation begeben, muss der Spielleiter sofort intervenieren und auf die mögliche Gefahr aufmerksam machen. Ansonsten verbleibt der Spielleiter in seiner passiven Rolle. Erst nach Ablauf der Zeit oder mit dem Ende der Aufgabe tritt der Spielleiter wieder aktiv in den Vordergrund, macht das Spielende klar deutlich und übernimmt die Moderation.

Wenn gewünscht und sinnvoll leitet der Spielleiter im Anschluss an das Spiel bzw. die Aufgabe die Reflexion an. Auch hierbei sollte er grundsätzlich nach einer kurzen Einleitung eine passive Rolle übernehmen. Bei unsachlicher Kritik sollte er jedoch einschreiten, eventuell auf den oben genannten spielerischen Charakter der Aufgabe aufmerksam machen und am Ende versuchen, die Teilnehmer zu einer Schlussfolgerung bezüglich ihres Handeln zu bringen. Das Leiten einer Reflexion ist meines Erachtens nach eine der schwierigsten Situationen, da spontan gehandelt werden muss.

Als Spielleiter weiß man fast nie, welche Themen angesprochen werden und welche Konflikte möglicherweise an die Oberfläche kommen, die schon länger in der Gruppe existieren. Doch gerade dabei sollte man bedenken, dass viele Spiele gerade diesen Zweck haben und ein unausgesprochener Konflikt der Gruppe nur schadet. Ist er einmal ausgesprochen kann an diesem, vielleicht nach einer Pause und Zeit zum Nachdenken, gezielt gearbeitet werden.

Für die Reflexion haben sich bei mir vier Karten bewährt. Auf diesen steht jeweils einer der folgenden Begriffe: „Kommunikation“, „Helfen & sich helfen lassen“, „Gemeinschaft“ und „Planung“. Ich lasse jeden Teilnehmer eine der Karten nehmen und einen Kommentar abgeben, warum er diese Karte gewählt hat und was er zu diesem Thema in die Runde sagen möchte. Danach wird die Karte wieder in die Mitte gelegt und kann auch wieder von einem Teilnehmer gewählt werden. Die Karten eignen sich auch gut, um einen allgemeinen Impuls zum Thema „Gemeinschaft“ zu geben, denn in einer Gemeinschaft wird über alles gesprochen, man hilft sich und arbeitet zusammen an einem Ziel. (Diese Idee habe ich von Christoph Sonntag. Seinem Buch (siehe Literaturliste) sollte der interessierte Leser Aufmerksamkeit schenken. Er führt die Idee hinter kooperativen Abenteuerspielen viel weiter aus als ich dies an dieser Stelle getan habe.)

Wenn du dich als Spielleiter gut auf deinen Einsatz vorbereitest und die oben aufgeführten Kriterien für die Spiel- und Methodenauswahl verwendest, kann eigentlich kaum noch etwas schief gehen. Du sollest auch immer daran denken, dass der Spaß im Mittelpunkt stehen sollte. Achte dabei auch auf dich: wie kommst du als Spielleiter rüber? Bist du der strenge regelbesessene Spielleiter, der jederzeit ermahnend eingreift, oder verstehst du dich als ein Kumpeltyp, der die Gruppe gerne unterstützt? Jeder hat seinen eigenen Stil. Den musst du auch erst bei dir selbst herausfinden. Probiere verschiedene Rollen aus. In welcher fühlst du dich am wohlsten? Denn wenn du dich wohl fühlst, dann vermittelst du auch der Gruppe den nötigten Spaß am Spiel!

Und jetzt, probiert es aus!

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Daniel
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