Nathan war ein sehr freundlicher und guter Geist, der dazu verbannt war, für alle Zeit auf Burg Rabenhorst zu spuken und die Menschen hin und wieder zu erschrecken.
Es war an einem Freitag im Sommer 1899 als sich mal wieder Gäste auf der Burg einquartiert hatten, um hier die Nacht zu verbringen. Also würde Nathan in dieser Nacht wieder jede Menge Spaß haben.
Als er bei Einbruch der Dunkelheit durch die Burg schwebte, entdeckte Nathan im großen Speisesaal einen mysteriösen Krug. Den hatte er noch nie gesehen. Er sah wertvoll aus und stand auf einem blank geputzten Silbertablett. Nathan war neugierig und wollte wissen, was drin war. Es war eine glibberige, tiefblaue Flüssigkeit. Sie sah ekelhaft aus, roch aber nach einem sehr wohlschmeckenden Getränk. Das musste er probieren. Also nahm er einen großen Schluck und es war so köstlich, dass er den ganzen Krug leer trank. Ihm war auf einmal ganz komisch zumute. Er schüttelte sich ein paar Mal kräftig und ehe er sich versah, färbte sich seine ganze Gestalt blau. Merkwürdigerweise hegte Nathan jetzt auch böse Gedanken und zog los, um die schlafenden Gäste aufzusuchen.
Er öffnete die erste Tür und schlich an das Bett der Frau mit den feuerroten Haaren. Nathan schwebte über ihrem Bett, fuhr seine Krallen aus, um die Frau zu packen. Sie wurde wach, ließ einen schrillen Schrei fahren und rannte so schnell sie konnte aus dem Zimmer. Nathan folgte ihr, er wollte sie auf keinen Fall entkommen lassen.
Durch den Schrei waren auch andere Gäste erwacht und rannten auf den Gang, wo sie gleich bemerkten, was hier gerade passierte. Sie hatten alle höllisch Angst und wollten diesem monsterhaften sehr bösen Geist entkommen. Alle rannten wie vom Blitz getroffen hinter der Frau her. Schneller, immer schneller und tatsächlich schafften sie es, noch rechtzeitig durch das große Burgtor zu entkommen.
Nur die kleine Marie lag noch in ihrem Bett und das wusste Nathan. Sogleich machte er sich auf den Weg, um wenigsten sie zu erwischen. Marie sah, wie Nathan auf sie zukam. Aber sie schien gar keine Angst vor ihm zu haben. Sie nahm ihren goldenen Becher mit der leckeren Limonade und reichte sie ihm. „Komm blauer Geist“, sagte Marie, „ich teile mit Dir“.
Ganz verwirrt nahm Nathan den Becher und ohne darüber nachzudenken, was er hier eigentlich wollte, trank er einen Schluck von dem roten Getränk. Ihm wurde plötzlich ganz warm und wohlig. „Siehst Du, jetzt ist alles wieder gut“, sagte Marie und schlief einfach weiter.
Die Liebe des kleinen Mädchens hatte ihn wieder zu dem gemacht, was er war – ein guter Geist.