Nur noch das entfernte Zirpen einiger Zikaden und das Knistern des Lagerfeuers hielt die Gruppe inmitten der Abgeschiedenheit der Wildnis wach. Längst hatte Ferdinand sein Banjo zur Seite gelegt. Um dem Solar-Radio neuen Saft zu verleihen, mussten sie bis morgen früh auf Sonnenstrahlen warten. Es war schon spät, deutlich nach elf Uhr am Abend. Die Dunkelheit legte sich gemeinsam mit etwas Nebel wie ein Schleier über das Lager am Rande des Roosevelt National Waldes Colorado in den USA. Drei Zelte teilten sich die vier Jungen aus der fünften Klasse. Gemeinsam mit einem erwachsenen Begleiter mit indianischen Wurzeln, dessen Schnarchen ab und zu in die Naturkulisse platzte, waren sie extra aus Deutschland angereist, um neue Erfahrungen als Pfadfinder zu machen.
Neben dem musikalischen Ferdinand mit seiner dicken Brille und den lustigen Locken hockten der schlaksige Ben, Markus und der kleine Achim im Kreis um die Flammen auf Decken und an Baumstämmen angelehnt. Plötzlich knackte es im Holz. Ben vernahm es als Erstes und drehte ruckartig den Kopf Richtung Gebüsch. „Habt ihr das auch gehört?“, zischte er die anderen an, doch sie zuckten alle nur mit den Schultern. Dann knackte es wieder und es war ganz sicher nicht das brennende Holz, sondern etwas Großes, das schlurfend und stampfend seinen Weg durch das Gestrüpp bahnte. Ben sah es ganz deutlich. „Sicher spielt uns die Dunkelheit einen Streich“, merkte Achim an. „Oder, es ist ein Reh, hier soll es sogar welche geben, die sich füttern lassen.“ Es hatte in Wahrheit noch niemand von Rehen gehört, die so nahe und ohne Scheu einen Campingplatz betraten.
Zitternd vor Aufregung griff Ferdinand in seinen Rucksack und kramte nach der Taschenlampe. Im Schein erkannte er etwas Großes, das zurückwich, mindestens so hoch wie die Zeltstangen. „Was, wenn uns ein Grizzly angreift?“, gab Ben zu bedenken, denn Bären waren in diesen Teilen des Parks in der Tat keine Seltenheit. Das Stampfen durch das Unterholz entfernte sich von ihrem Zeltplatz und alles wurde still. Sie saßen noch eine Weile erstarrt auf dem Boden und trauten sich nicht zu bewegen, bis sie sicher waren, die Gestalt kommt nicht mehr zurück. An schlafen war kaum zu denken. Übermüdet krochen sie am nächsten Morgen aus dem Bett.
Ihr Pfadfinder-Leiter kam aufgeregt auf sie zu. Bären hatten die hunderte Meter weiter entfernten Lager über Nacht verwüstet. Glücklicherweise kam niemand zu Schaden. „Bei uns wurde nichts verwüstet, alle Vorräte sind noch da,“ freute sich ihr Anführer, während er den vier Jungen ermutigend auf die Schultern klopfte. „Der Sasquatch beschützt manchmal Menschen, die er mag“. „Ein Sasquatch?“ fragte Achim verwirrt. „Sasquatch nennen wir die Legende des Bigfoots, ein großer haariger Menschenaffe, der in den amerikanischen Wäldern seit Jahrhunderten lebt.“ Die vier Freunde schauten sich an, ihre Blicke wanderten zum Gebüsch. Riesige, menschenähnliche Fußabdrücke markierten den Boden, dort wo gestern Nacht das haarige Etwas herumschlich. Ein Bär war das ganz sicher nicht…