Es war einmal ein Ritter, der wollte nichts mehr auf der Welt, als ein berühmter Drachentöter zu werden. Er las alle Geschichten über diese Helden, er hörte sich alle Lieder über sie an und wollte so ruhmreich werden wie sie.
Unermüdlich übte er sich im Kampfe mit dem Schwert, um dem Drachen den tödlichen Stoß versetzen zu können. Ohne Unterlass verfeinerte er seine Technik mit dem Schild, um die tödlichen Klauen abzuwehren. Voller Eifer übte er das Springen und Ducken, um sich vor dem feurigen Atem in Sicherheit zu bringen. All sein Gold trug er zu den Schmieden, auf dass sie ihm die schärfste Klinge, den härtesten Schild und die beste Rüstung machen sollten.
Eines Tages aber sprach der Ritter zu sich: „Nun bin ich ein Meister mit Schild und Schwert, ich bin flink wie ein Tänzer und trage den besten Stahl weit und breit. Ich bin bereit, den Drachen zu erlegen und ewigen Ruhm zu erlangen.“ Also sprach er, schwang sich auf sein Ross und ritt hinan zum Drachenberg, wo das Untier hauste, das schon viel Leid über das Land gebracht hatte.
Mit einem mächtigen Schrei stürmte der Ritter auf den Drachen zu. Das Untier spuckte Feuer, doch der Ritter duckte sich darunter hinweg. Der Drache schwang seine mächtigen Pranken, doch der Ritter ließ die Schläge an seinem Schild abprallen. Kraftvoll sprang der Ritter auf einen Felsen, stieß sich ab und flog wie ein Pfeil auf die Brust des Drachen zu, das Schwert voran, um es dem Untier ins Herz zu rammen. Doch des Drachen Schuppen waren zu stark. Nutzlos prallte das Schwert an ihnen ab, der Ritter rutschte am Drachen herunter auf den Boden, wo das Untier ihn mit seinen Klauen schlug, bis er halbtot war. Dann schleuderte es ihn gelangweilt in ein Wäldchen.
Der Ritter wäre dort wohl jämmerlich verblutet, wäre ihm nicht sein Freund der Heiler heimlich gefolgt. Dieser wusch und verband seine Wunden, packte ihn auf einen Karren und brachte ihn zurück zur Burg, wo er ihn gesundpflegte. „Warum musst du auch immer alles alleine machen?“, schalt er den Ritter, als dieser wieder genesen war. „Weil ich nun einmal ein berühmter Drachentöter werden will, wie in den Geschichten“, entgegnete der Ritter. „Die Geschichten mögen von einsamen Helden erzählen“, erwiderte der Heiler, „aber in Wahrheit waren diese Männer gewiss nicht so dumm, ohne ihre Freunde gegen einen Drachen zu ziehen.“ Der Ritter hörte das nicht gern und rief: „Ach, und wer hätte wohl den Mut, mit mir zu kommen?“ Da lächelte der Heiler und sprach: „Ich dachte, du würdest nie fragen.“ In diesem Moment traten die Magierin, der Jäger und die Bardin ein, allesamt Freunde des Ritters, und erzählten ihm von ihrem Plan.
Am nächsten Morgen zog der Ritter abermals zum Drachenberg, doch dieses Mal war er nicht allein. Er rannte auch nicht blindlings voran, sondern verspottete den Drachen gemeinsam mit seinen Freunden, bis das Untier wutschnaubend auf sie zu rannte. Da krachte es unter den Pranken des Drachen, denn der Jäger hatte am Vorabend eine Falle versteckt, in der das Untier sich nun ein Bein brach. Geschwächt, aber umso wütender warf sich der Drache auf den Ritter, der die Prankenschläge mit seinem Schild tapfer abfing. Doch sein Schwert konnte die Schuppen nicht durchdringen. Da hörte er die Magierin uralte Worte murmeln und machtvolle Gesten vollführen, bis ein gleißend heller Lichtstrahl aus ihren Händen schoss und eine der Schuppen in Nichts auflöste. Der Ritter wollte nun losstürmen, da traf ihn ein Prankenhieb des Drachen, und er dachte, sein letztes Stündlein sei gekommen. Blutend blieb er am Boden liegen. Doch da merkte er, wie der Heiler ihm eine mächtige Arznei einflößte, und er spürte, dass sich seine Wunden in Windeseile wieder schlossen. Nun hätte er gern erneut angegriffen, doch er war für den gewaltigen Sprung zur Drachenbrust schon zu verausgabt. Da hörte er, wie die Bardin voller Leidenschaft ein Lied anstimmte, das in sein Herz drang und ihm die Kraft verlieh, über sich hinauszuwachsen. Mit heißem Herzen sprang er auf und rannte erneut auf den Drachen zu. Voller neuer Kraft schwang er sich erst auf ein Bein des Untiers und dann auf dessen Brust, das Schwert voran. Der Stahl drang in die Bestie ein, die röchelnd zusammenbrach, so, wie es sich der Ritter immer gewünscht hatte.
Alsbald umarmte der Ritter seine Freunde und dankte ihnen für ihren Beistand. „Ein Drachentöter bin ich nun, so wie auch ihr es seid. Denn ihr habt mir geholfen, meinen Traum wahr zu machen, und so sind wir gemeinsam Helden geworden.“ Da waren die Gefährten von Herzen froh und beschlossen, fortan gemeinsam Drachen zu jagen. Der Ritter aber bat die Bardin, diese Geschichte in Worte zu fassen, damit sie überall erzählt werde, wo jemand ohne seine Freunde gegen einen Drachen ziehen will.
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