Märchen: Die drei Knappen

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Es war einmal ein Junge, den schickte sein Vater als Knappen auf das Schloss des Grafen, damit er dort zum Ritter werde. Der Junge hieß Tharon und freute sich sehr, denn das Schloss war prächtig anzusehen, und die Waffenmeister, die ihn unterrichten sollten, verstanden ihr Handwerk.

Auf dem Schloss aber lebten schon sieben Knappen, die keinen achten dulden wollten. „Wir kennen dich nicht und wir wollen dich nicht“, sprach ihr Anführer. „Du bist klein, und Schwächlinge können wir nicht gebrauchen“, sagte der Handlanger zu seiner Rechten. „Du kannst nicht kämpfen und wirst es auch nie lernen“, sagte der Speichellecker zu seiner Linken.

Fortan schlugen die anderen Knappen Tharon bei den Übungskämpfen so hart, dass der Waffenmeister die Fechter voneinander trennen musste. Nach dem Unterricht lauerten sie ihm auf, um ihn zu verprügeln. Doch Tharon war flink, und wann immer konnte, lief er in die Schreibstube, in der die Mönche für Ruhe sorgten.

Eines Tages aber, als Tharon wieder dorthin geflüchtet war, setzte sich Ondor, der dickste der Knappen, neben ihn. Tharon erschrak und wollte davonrennen, doch Ondor legte seine schwere Hand auf Tharons Arm und flüsterte: „Ich tu dir nichts. Ich mag nicht, wie die anderen dich behandeln.“ „Warum machst du dann mit?“, fragte Tharon. „Weil ich froh war, dass sie wegen dir von mir abgelassen haben“, sprach Ondor und schaute beschämt zu Boden. „Bevor du kamst, hatten sie es auf mich abgesehen, weil ich so dick bin.“ „Ich finde nicht schlimm, dass du dick bist“, sprach Tharon. „Das weiß ich“, erwiderte Ondor. „Und ich weiß, wie du dich fühlst. Deshalb will ich dir helfen.“

Von jenem Tag an übten sich Tharon und Ondor heimlich im Kampf, um eines Tages gegen die sechs anderen zu bestehen. Ondor lehrte Tharon in aller Ruhe, was dieser vor lauter Angst und Prügel nicht hatte lernen können. Tharon aber verstand sich nicht nur auf das schnelle Weglaufen, sondern auf alle anderen flinken Bewegungen. Bald teilte er mit seinem Schwert so geschwinde Hiebe aus, dass es Ondor schwindelte.

Als die beiden eines Tages auf einer Waldlichtung übten, sprach Ondor zufrieden: „Bald sind wir so weit, dass wir die anderen fordern können. Denn während ich wie ein Fels in der Brandung stehe, kannst du hinter mir Schutz suchen.“ Tharon nickte und sprach: „Ehe sie dich aber zu sehr bedrängen, decke ich sie mit schnellen Schlägen ein, damit sie zurückweichen.“

Kaum hatten die beiden das ausgesprochen, da traten die anderen Knappen auf die Lichtung. „Hier stecken also unsere beiden Turteltäubchen“, spottete der Anführer. „Ondor, du hast uns Schande gebracht“, höhnte der Handlanger. „Darum müssen wir euch jetzt beide verprügeln“, rief der Speichellecker. Da erhoben alle ihre Schwerter.

Tharon und Ondor kämpften wie die Löwen. Tharon deckte die Angreifer mit schnellen Schlägen ein, während Ondor all ihre Hiebe abfing, mal mit dem Schwert und mal mit seinem massigen Körper. Doch dann gelangte ein Knappe um Ondor herum und streckte Tharon mit einem einzigen geschickten Schlag nieder. Da brachten die anderen Knappen auch Ondor zu Fall. „Lasst euch das eine Lehre sein“, zischte der Anführer, „ihr werdet niemals Ritter werden“.

Tharon aber half Ondor mit letzter Kraft auf und rief: „Ondor ist schon ein Ritter, denn er hilft den Schwachen. Ihr aber seid ehrlos!“ Und Ondor rief: „Tharon ist schon ein Ritter, denn er stellt sich mutig einer Übermacht. Ihr aber seid feige!“ Wütend wollte der Anführer etwas erwidern, doch da ergriff der geschickte Knappe, der Tharon niedergestreckt hatte, das Wort. „Mein Name ist Arandil, und ich erkenne die Wahrheit eurer Rede. Ich will nicht mehr diesem Anführer dienen, der seine Stärke nur aus der Schwäche der anderen zieht, der nur groß ist, weil er die anderen klein macht. Ich will nicht mehr in Angst und Schrecken vor ihm leben. Ich will ein Freund unter Freunden sein. Ich bitte euch, nehmt mich bei euch auf.“

Das taten Tharon und Ondor mit Freuden, und zu dritt brachten sie den anderen fünfen eine so vernichtende Niederlage bei, dass diese nie wieder wagten, die drei Freunde anzugreifen. Tharon, Ondor und Arandil aber hielten fortan stets zusammen, bestanden viele Abenteuer und wurden als wahre Ritter im ganzen Land bekannt.

Aus dem Buch „Märchenhaft glücklich. 100 neue Märchen von Lebensfreude und Erfüllung“, Verlag Hartmut Becker,  300 Seiten,  14,80 Euro  ISBN 978-13 9783929480702.

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Autor*in

Mathias Himberg
Mathias Himberg
Mathias ist Autor des Buchs „Märchenhaft glücklich. 100 neue Märchen von Erfüllung und Lebensfreude“. Seine Märchen geben Anregungen zu einem guten, erfüllten Leben. Vertont findet ihr einige seiner Märchen auch auf YouTube.

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