Wie jeden Abend saßen die Kinder um das knisternde Lagerfeuer herum. Wie jeden Abend spielte Alex etwas auf seiner Gitarre vor und wie jeden Abend sangen alle gemeinsam ihre Zeltlager-Lieder.
Doch an diesem einen Abend war alles ganz anders.
Aber der Reihe nach. Als der besagte Tag sich dem Ende neigte, freuten sich alle auf die Dunkelheit und das gemütliche Zusammensein im Lichte des Lagerfeuers. Natürlich wurde reichlich Holz gesammelt, damit das Feuer auch lange brennen konnte.
Als es dunkel wurde, versammelten sich alle Kinder am Feuer. Alex nahm direkt seine Gitarre und legte los. Sofort stimmten alle in die ihnen bekannten Lieder ein. Nach drei Stücken legte Alex die Gitarre zur Seite und wollte gerade seine neueste Gruselgeschichte zum Besten geben, als plötzlich eine ihm sehr bekannte Melodie erklang.
Er blickte zu seiner Gitarre. Wie von Geisterhand bewegten sich die Saiten und spielten die Melodie zu “Country Roads”.
“Wer war das?”, fragte er in die Runde, obwohl er sehen konnte, dass sich keiner rührte.
Alex schnappte sich sein Instrument, welches daraufhin sofort verstummte.
Beruhigt legte er es wieder zur Seite, holte tief Luft und begann: “Es war einmal ein …”
Wieder wurde er vom Klang der Gitarre unterbrochen. Diesmal spielte sie “Alle meine Entchen”.
Alex wurde sichtlich nervös. Wer auch immer ihm hier Angst einjagen wollte, hatte sein Ziel erreicht. Erneut griff er nach der Gitarre und die Musik setzte wiederum aus. “So nicht, dieser Streich ist hiermit beendet.”, sagte Alex bestimmt und brachte seine Gitarre zurück ins Zelt.
Als er zurück war, begann er erneut. “Wo war ich? Achja, es war einmal ein Pfadfinder, der …”
Alex verstummte. Sämtliche Kinder und jetzt auch er blickten in Richtung seines Zeltes. Leise, aber doch klar verständlich wehte die Melodie des Kinderliedes “Ihr Kinderlein kommet” herüber.
In Alex stieg Panik auf. Spukt es hier etwa im Ferienlager?
Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen, bis er schließlich sein Zelt erreichte. Die Melodie kam eindeutig aus dem Gitarrenkasten.
“Was soll ich bloß tun?”, fragte sich Alex. Er entschied sich dafür, die Gitarre zu nehmen und ganz tief im Wald zu verbuddeln, sodass sie nie wieder zu hören sein würde. Mit der Unterstützung einiger Kinder grub er ein großes Loch, warf die Gitarre hinein und bedeckte sie mit Sand, bis sie tief unter der Erde vergraben war.
Für den Rest des Ferienlagers mussten die Kinder zwar ohne schönes Gitarrenspiel auskommen, doch zumindest mussten sie sich auch nicht mehr vor Gitarre spielenden Geistern fürchten.
Am Abreisetag bauten sie bereits am Morgen die Zelte ab und packten ihre Sachen zusammen.
Gerade als Alex seine Reisetasche schließen wollte, sah er sie: Seine Gitarre.
Wieso war sie in seiner Tasche, er hatte sie doch vergraben?! Alex war ratlos.
“Habe ich das alles nur geträumt?”, fragte er sich.
Das, liebe Kinder, werden wir jedoch nie erfahren.