Vorlesegeschichte für Kinder: Frühling

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Das erste Schneeglöckchen

Langsam erwachte das Schneeglöckchen unter der Erde. Es gähnte und streckte vorsichtig einen ersten Trieb durch die Erdoberfläche nach draußen.

“Ist es schon Frühling?”, fragte das Schneeglöckchen.

Ein Vogel, der in der Nähe saß, hörte die Worte und fragte zurück: “Was ist der Frühling?”

Das Schneeglöckchen dachte darüber nach. “Frühling ist, wenn ich unter der Erde aufwache”, sagte es schließlich. “Dann wachse ich und schüttele meine weißen Blüten im Wind.”

“Mmh”, antwortete der Vogel. “Ich schlafe nicht unter der Erde, sondern hoch oben im Baum, der seine Zweige im Wind wiegt. Also muss immer Frühling sein!”

Der Vogel pickte nach einem Samenkorn auf der Erde, verspeist es und flog davon. Das Schneeglöckchen seufzte, denn offenbar hatte der Vogel seine Frage nicht verstanden. Es überlegte: Sollte es weiterwachsen oder sollte es lieber noch ein wenig warten? Es war ungeduldig vom langen Warten unter der Erde. Also entschloss es sich, seinen Trieb noch ein kleinen Stückchen nach oben zu strecken.

Da hörte das Schneeglöckchen ein leises Tapsen. Eine Katze schlich elegant näher.

“Entschuldige bitte!”, rief das Schneeglöckchen.

Die Katze blieb stehen und maunzte ärgerlich: “Jetzt hast du die Maus verscheucht, die dort drüben im Gras hockte! Warum willst du mir die Jagd verderben? Ich habe dir nichts getan!”

“Verzeihung”, stotterte das Schneeglöckchen. Etwas mutiger fügte es hinzu: “Kannst du mir sagen, ob schon Frühling ist?”

Die Katze setzte sich und fragte: “Was ist der Frühling?”

Das Schneeglöckchen erinnerte sich noch gut an die Verwirrung des Vogels und sagte deshalb: “Frühling ist, wenn die Menschen fröhlich sind, nach draußen gehen und Spaziergänge machen.”

“Mmh”, miaute die Katze. “Die Menschen, bei denen ich wohne, sind nie fröhlich und machen nie Spaziergänge. Sie sitzen den ganzen Tag lang vor dem Fernseher. Also kann nie Frühling sein!”

Das Schneeglöckchen wollte das Missverständnis erklären – doch in diesem Moment entdeckte die Katze erneut die Maus und schlich ihr nach. Lange Zeit blieb es still. Das Schneeglöckchen wurde immer ungeduldiger und wuchs ein wenig weiter. Auch die ersten Blätter wuchsen an dem zarten grünen Stängel. Als es jedoch zu schneien begann, fröstelte das Schneeglöckchen und dachte: “Vielleicht ist der Frühling wirklich noch nicht gekommen!”

Schließlich kam ein Hund des Weges. Er schnüffelte an einem kahlen Gebüsch und wühlte im Boden. Das zitternde Schneeglöckchen rief: “Entschuldige bitte! Kannst du mir sagen, ob schon Frühling ist?”

Neugierig kam der Hund näher und erwiderte: “Was ist der Frühling?”

Das Schneeglöckchen erklärte: “Frühling ist, wenn es warm wird und das runde gelbe Licht hoch oben leuchtet.”

Der Hund wedelte mit dem Schwanz. “Wenn das so ist, kenne ich den Frühling!”, bellte er. “Ich bringe dich zu ihm.”

Der Hund buddelte das Schneeglöckchen aus und brachte es zu der alten Frau, der er gehörte. In dem Haus war es warm und im Wohnzimmer hing eine runde gelbe Lampe an der Decke. Das Schneeglöckchen sah, dass der Hund sich geirrt hatte. Doch die alte Frau freute sich so sehr über das Schneeglöckchen, dass sie es in einen Topf pflanzte.

Da beschloss das Schneeglöckchen bei der alten Frau zu bleiben. Jeden Tag wuchs es ein bisschen mehr und bildete wunderschöne weiße Blüten. Von seinem Platz am Fenster aus sah das Schneeglöckchen nach einigen Wochen, dass draußen nun andere Schneeglöckchen blühten. Auch die alte Frau bemerkte es und pflanzte das Schneeglöckchen zu seinen Freunden in ihr Blumenbeet.

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Daniel
Daniel
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