Die anderen Jugendlichen waren bereits eine Woche im Camp. Erste Freundschaften waren entstanden, und die Stimmung im Lager war allgemeinhin sehr gut. Samuel hingegen war erst seit drei Tagen dabei. Aus familiären Gründen konnte er nicht gemeinsam mit den anderen Jungen und Mädchen anreisen. Irgendwie fühlte sich das aus seiner Sicht komisch an. So kam er sich manchmal ausgegrenzt und alleine vor. Tatsächlich gab es in der großen Clique zwei Jungen, die es offenbar auf ihn abgesehen hatten: Jedes Mal, wenn er an ihnen vorbei lief, lachten sie. Flüsterten sie sich vielleicht sogar etwas zu? Samuel war sich nicht ganz sicher. Aber er war es ja ohnehin gewohnt, dass man über ihn lästerte. Er war nun einmal nicht wie andere Jungen. Er war klein und schmächtig, und manchmal trug er Kleidung, die nicht mehr sonderlich modern war. Doch seine Eltern konnten es sich einfach nicht leisten, Markenklamotten für ihn zu kaufen. Außerdem humpelte er stets ein bisschen. Vor einigen Jahren hatte er sich bei einem Unfall ein Bein gebrochen. Der Knöchel war nie mehr richtig ausgeheilt, weil die Ärzte eine falsche Diagnose gestellt und dementsprechend eine unpassende Therapie durchgeführt hatten.
Es war Abend geworden. Die Jugendlichen saßen um das Lagerfeuer herum, das in der Mitte des Kreises lustig vor sich hin prasselte. Für morgen war eine Wanderung angekündigt worden. Alle Camp-Bewohner freuten sich darauf, denn sie wussten, dass es ein abenteuerliches Unterfangen mit allerlei tollen Überraschungen werden würde. Die Organisatoren des Ferienlagers hatten sich bestimmt auch in diesem Jahr richtig was einfallen lassen.
Nur Samuel sah dem morgigen Tag mit Skepsis entgegen. Würde er alleine im Camp bleiben müssen? Wie peinlich… Da würden doch ohnehin alle denken, dass er es nicht drauf hätte. Das wiederum würde seine Außenseiterposition nur weiter stärken. Samuel hing seinen Gedanken nach und blickte traurig in die Runde. Und da sah er, dass einer der beiden Jungen, die immer über ihn lachten, ihn direkt ansah. Ihre Blicke trafen sich. Und plötzlich lachte der Junge wieder. Doch es war nicht “dieses” Lachen. Es war vielmehr ein Lächeln. Freundlich und offen. Samuel lächelte zurück. Der Junge stand auf und ging direkt auf Samuel zu.
“Was ist mit deinem Bein passiert”? fragte er. Und Samuel berichtete, was damals passiert war. “Ich kann auch nicht richtig laufen”, sagte der Junge. Ich bin mit einer Hüftfehlstellung auf die Welt gekommen. Als ich gesehen habe, dass ein Junge ins Camp gekommen ist, der wie ich, nicht richtig gehen kann, war ich irgendwie erleichtert.” Nun wusste Samuel, dass dieser Junge ihn nicht aus-, sondern freundlich angelacht hatte! Oh, wie dumm war Samuel nur gewesen! Die zwei Jungs verabredeten sich für den nächsten Tag, um zusammen etwas zu unternehmen. An der Wanderung würden sie zwar nicht teilnehmen, aber auf das anschließende Grillfest freuten sie sich schon riesig.
Fazit:
Oft sind es die eigenen Gedanken, die den Weg zu anderen Mitmenschen versperren.