Fantasiereise für Jugendliche: Die Halle der Spiegel (Identität und Selbstfindung)

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Es beginnt in einer sternenklaren Nacht. Du liegst in deinem Bett, aber irgendetwas fühlt sich anders an. Der Mond scheint durch das Fenster, doch sein Licht ist nicht silbern, sondern schimmert in Farben, die du nicht benennen kannst. Als du die Augen schließt, beginnt die Reise, lautlos und dennoch voller Klang.

Du findest dich in einer riesigen Halle wieder. Die Luft ist kühl, aber nicht unangenehm. Über dir schwebt Nebel und die Decke ist so hoch, dass sie im Dunst verschwindet. Die Wände bestehen aus Spiegeln. Jeder ist so groß wie ein Tor. Du bist allein. Oder doch nicht?

In jedem Spiegel siehst du … dich. Aber nicht so, wie du dich heute Morgen im Bad gesehen hast. Du siehst Versionen von dir selbst, die anders aussehen, anders stehen, anders lachen. Eine Version trägt ein Bühnenkostüm und verbeugt sich vor tosendem Applaus. Eine andere hat ein Notizbuch unter dem Arm, in dem gerade wilde Gedanken zu Gedichten werden. Wieder eine andere fliegt mit einem Skateboard über eine Rampe, die in den Himmel zu führen scheint.

Du machst einen Schritt. Deine Schritte hallen und doch klingen sie weich, wie auf Moos. Eine warme, ruhige Stimme ertönt. Sie ist weder männlich noch weiblich, sondern einfach vertraut. Sie sagt: “Willkommen in der Halle der Möglichkeiten. Hier findest du, was in dir schlummert.”

Zögernd trittst du an den ersten Spiegel heran. Dein Spiegelbild trägt schwarze Kleidung und blickt selbstbewusst zurück. “Ich bin du, wenn du deine Meinung sagst, auch wenn andere dich komisch anschauen”, sagt es.

Im nächsten Spiegel stehst du auf einem Gipfel, der Wind zerzaust die die Haare. “Ich bin du, wenn du deine Ängste überwindest. Wenn du losgehst, ohne den ganzen Weg zu kennen.”

Ein dritter Spiegel zeigt dich mit einem Pinsel in der Hand, umgeben von Farben. “Ich bin du, wenn du dich ausdrückst, ohne dich zu entschuldigen.”

Du gehst weiter. Einige Spiegel zeigen dich, wie du weinst. In einem liegst du allein auf deinem Bett und starrst an die Decke. In einem anderen schreist du vor Wut. Erst willst du weitergehen, doch dann bleibst du stehen. Diese Seiten gehören auch zu dir.

“Manchmal wirst du dich verlieren, nur um dich wiederzufinden”, sagt ein Spiegel, in dem du auf einer Bühne stehst. Nicht vor Publikum, sondern vor dir selbst.

Je weiter du gehst, desto mehr spürst du: All diese Versionen bist du. Nicht entweder oder, sondern alles auf einmal. Möglichkeiten, Richtungen, Entscheidungen. Du bist kein fertiges Bild. Du bist eine Geschichte in Bewegung.

In der Mitte der Halle steht ein letzter Spiegel. Er ist aus glänzend schwarzem Glas, so tief wie die Nacht Glas. Zunächst siehst du gar nichts. Dann erscheint ein Bild. Du, genau jetzt, wie du bist. Mit deinen Fragen, deinen Zweifeln, deinen Hoffnungen. Dein Blick ist suchend, aber auch wach.

Und dann lächelt dein Spiegelbild. Nicht selbstsicher. Nicht überheblich. Einfach ehrlich.

Die Stimme kehrt zurück. “Du musst nicht alle Antworten kennen und du darfst dir erlauben, dich immer wieder neu kennenzulernen.”

Du berührst das Glas. Es ist warm. Eine leise Welle durchströmt dich, wie Licht, das von innen kommt. Kein grelles Leuchten, eher ein feines, goldenes Flimmern, das bleibt.

Als du die Augen öffnest, bist du wieder in deinem Zimmer. Der Mond ist noch da, aber diesmal ist sein Licht ganz klar. Du atmest tief durch. Und irgendwie fühlt sich alles ein bisschen leichter an.

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Daniel
Daniel
Hallo, schön, dass du hier vorbeischaust. Ich bin der Kopf hinter dem Jugendleiter-Blog und bin seit über 10 Jahren in der Jugendarbeit aktiv, habe viele Jahre einen Verband geleitet und blogge hier über meine Erfahrungen aus mehr als 100 Freizeittagen und 200 Gruppenstunden. Meine besten Spiele und Ideen sind als Bücher erschienen.

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