Ich freue mich heute über einen Gastbeitrag von Vanessa, die in Südafrika mit Kindern ein aus meiner Sicht ein simples, aber dennoch mehr als beeindruckendes Projekt umgesetzt hat, das ebenfalls in der Kinder- und Jugendarbeit adaptiert werden sollte.
Im Zuge meines Auslandssemester in Stellenbosch, Südafrika unterrichte ich einmal die Woche an einer lokalen Grundschule, der Lynedoch Primary School. Zusammen mit zwei Amerikanerinnen arbeite ich dort mit den Achtklässlern, den ältesten Kindern der Schule, im Alter von 13-17 Jahren. In einer unserer Stunden hatten die Schüler/innen die Aufgabe sich Gedanken über ihre Lebensmottos zu machen. Um auf das Thema einzustimmen, haben wir Videos von unseren Freunden aus Deutschland und den USA gezeigt, in denen sie ihre Mottos oder Tipps mit den Schülern teilten. Anschließend hatten die Kids Zeit sich eigene Gedanken zu machen. Darüber, was ihnen wichtig ist und was sie den Menschen der Welt ans Herz legen und mitgeben möchten. Ausgestattet mit Stiften und Papier gestalteten sie dann ihre ganz persönlichen Botschaften. Ganz viele der Kinder haben sehr viel geschrieben und es genutzt einfach losschreiben zu können ohne, dass es eine richtige oder falsche Antwort gab. Dabei war es wichtig, ihnen während des Prozesses die Zeit zu geben, die sie brauchen und das Ganze zeitlich nicht zu sehr einzuengen. Es ist völlig in Ordnung und sogar vorteilhaft für die weitere Arbeit, wenn die Kinder nicht alle gleichzeitig fertig werden. Nach dem Schreibprozess haben wir dann nämlich mit jedem Schüler/ jeder Schülerin einzeln den Teil ihreres Lebensmottos herausgesucht, der ihnen am wichtigsten ist. Und haben ihnen dann ihre Botschaften auf den Arm oder die Hände geschrieben. Im Anschluss daran hatte jedes Kind ein kleines Photoshooting.
In Südafrika ist das Erbe von Apartheid auch nach 17 Jahren noch sehr präsent. Die Kinder an meiner Schule wachsen auf den Weinfarmen der Umgebung auf, sind dadurch sozial sehr isoliert und kommen aus sehr schwierigen Verhältnissen. Viele Farmarbeiter sind alkoholabhängig und die Gemeinde kämpft seit Jahren mit einer der höchsten Raten des Fötus-Alkohol-Symdroms weltweit. Die Kinder hier sind schon früh auf sich alleingestellt und (mit)verantwortlich für das Einkommen oder jüngere Geschwister. Einfach-Kind-Sein ist hier nur selten möglich. Gleichzeitig haben die Kinder – sowie die Erwachsenen – kaum Einfluss auf das Geschehen um sie herum. Durch die materielle Armut ensteht ganz oft eine finanzielle und emotionale Machtlosigkeit und das Gefühl nie gehört zu werden.
Das ‘Dear-World’-Projekt hat den Schüler/innen jetzt eine wertvolle Möglichkeit zur Meinungsäußerung gegeben. Jemand hat sich nur mit ihnen beschäftigt und sich für sie und ihre Ansichten nicht nur interessiert, sondern letztere auch ehrlich geschätzt.
Die Aktion war selbstbewusstseinsfördernd und hat uns als Lehrerinnen sehr geholfen, den Kindern näher zu kommen. Außerhalb der Schule haben wir es durch die Veröffentlichung der Photos geschafft, Leute für unser Projekt und Lynedoch Primary zu gewinnen. Das Projekt war unschätzbar wertvoll. Ich bin überzeugt davon, dass das nicht nur für den südafrikanischen Kontext gelten muss. Ich denke, dass man die Idee in jeder Gruppenstunde einbauen kann. Es fördert den Zusammenhalt der Gruppe, stärkt Selbstbewusstsein und macht – trotz des ernsten Themas – viel Spaß.
Benötigte Materialien: Papier, Stifte; (gute) Kamera; schwarzer, abwaschbarer Edding
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Liebe Vanessa,
ich liebe diese Idee! Ich arbeite zur Zeit in einer Tagesklinik. Die meisten Jugendlichen stehen vor der Frage: wo will ich hin? Wer will ich sein? Was will ich nicht? Was will ich dafür geben? Ich werde deine Idee aufgreifen und es mit meiner Gruppe durchführen.
Danke für diese tolle Idee :D
Wirklich eine fantastische Idee!